Freitag, 11. Mai 2012

Farbe und Bewusstsein
In der Schweiz ist ein riesengroßes Gehirn nachgebaut worden, durch das man gehen kann, um nach dem Geist zu suchen. Wird man ihn finden? Wohl kaum. Denn Geist lässt sich nicht durch Geist finden, so wie man weißes Licht nicht inmitten von weißem Licht erkennen kann oder weiße Schrift auf weißem Papier.

Um das richtig zu verstehen, ist ein Gleichnis angebracht. (Gleichnisse sind Ausdrucksformen des analogen Denkens, das vertikal durch alle Seinsebenen geht und sich nicht nur horizontal auf einer Ebene bewegt.) Nehmen wir einmal das Phänomen der Farbe. Alle Dinge um uns herum sind farbig und es gibt Millionen von Farben. Doch im Grunde ist Farbe den Dingen nicht immanent, das heißt, die Dinge sind nicht von Natur aus grün, blau oder gelb, sondern farblos. Farbe entsteht erst durch Reflektion von Licht.
Wenn man einmal die tiefere Wahrheit des Farbphänomens verstanden hat, dann begreift man auch, dass das Phänomen des Geistes gleichnishaft ist. Es im Objekt selbst zu suchen, wäre genauso naiv, wie im Objekt nach der Farbe zu suchen. Was die Farbe betrifft, so wird man lediglich Oberflächenbeschaffenheiten finden, die ein bestimmtes Lichtspektrum reflektieren. Und was den Geist betrifft, so wird man neuronale Verknüpfungen finden, ein Geflecht aus so und so vielen Milliarden Neuronen, die in der Summe Bewusstsein erzeugen. Doch das Bewusstsein selber ist nicht immanenter Bestandteil des Gehirns. Das Gehirn ist lediglich das Gefäß, das dem Geist eine Wohnung bietet, in der er zuhause ist.

Mittwoch, 2. Mai 2012

Der Kalte Krieg und die Bedeutung des Einzelnen im Weltgetriebe

Sehe auf dem ZDF-Infokanal eine Sendung über die heißesten Momente des Kalten Krieges. Abgesehen von der Kuba-Krise (zwischen 1960 und 1962), als zwei U2-Aufklärungsflugzeuge von den Sowjets abgeschossen wurden und die Russen auf Kuba Nuklearraketen stationierten, aber schließlich wieder abzogen, war eine ganz heiße Phase im Herbst 1983 eingetreten, die beinahe aus Versehen den 3. Weltkrieg ausgelöst hätte. Die Situation war durch den Abschuss eines Passagierflugzeugs am 1. September stark aufgeheizt, bei dem eine Boeing 747 der Korean Air Line (Flugnummer 007) abgeschossen wurde, weil sie ein paar Kilometer in sowjetischen Luftraum eingedrungen war und der sowjetische Abfangjäger die Nerven verloren hatte, was 269 Menschen an Bord das Leben kostete. Tage später kommt es beim Observieren amerikanischer Raketenstellungen zum nächsten kapitalen Fehler. Die russische Satelliten-Software interpretiert reflektierende Sonnenstrahlen zwischen den Wolken als Startblitze amerikanischer Atomraketen und löst Alarm aus. Zum Reagieren blieben nur wenige Minuten, in denen der sowjetische Oberstleutnant Stanislaw Petrow entschied, den Alarm abzublasen, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass die Amerikaner mit nur 5 Raketen den Weltkrieg beginnen würden. Das brachte ihm danach mächtigen Ärger ein, bewahrte aber die Welt vor dem atomaren Inferno (der Pilot des Abfangjägers, der die koreanische Boeing 747 abgeschossen hatte, wird bestimmt dafür ausgezeichnet worden sein). Zu dieser Zeit, im September 1983, spielte ich gerade mit meiner Tanzkapelle im Leipziger Messelokal Schorschel. Dort wäre mein letzter Auftritt gewesen, ich hätte Carola nie kennengelernt, Cäcilia wäre nie geboren worden und Finn erst recht nicht – zumindest in diesem Universum nicht. Und auch eine halbe Million Menschen hätte nicht mehr im Bonner Hofgarten gegen den Rüstungswahnsinn des Kalten Krieges demonstrieren können. Denn das völlig realistische NATO-Herbstmanöver Able Archer, das im November ein weiteres Mal beinahe den 3. Weltkrieg ausgelöst hätte, wäre dann der Ernstfall gewesen.
Was die Sendung aber auch rüber bringt, ist der Umstand, dass der Einzelne im Weltgetriebe durchaus eine gewaltige Bedeutung erlangen kann. Nämlich dann, wenn das Schicksal der Welt davon abhängt, ob er ein Arschloch ohne Gewissen und Verantwortungsgefühl ist oder eben nicht.