Sonntag, 15. Februar 2015

Tsipras – Erlöser oder Schreckgespenst?

Das, was gerade in Griechenland passiert, macht Mut! Oder anders: Wäre das, was gerade in Griechenland passiert, nicht passiert, dann wär' das ein weiteres Armutszeugnis gewesen für das, was Politik im Wesen ausmacht. Denn Aufgabe von Politik ist ja, in erster Linie die Interessen eines Landes zu vertreten und damit die Interessen seiner Bürger. Vereinfacht ausgedrückt könnte man die momentane Situation in Griechenland vergleichen mit der Situation in einer Familie – denn Menschen und Staaten verhalten sich ähnlich –, in der einer der Söhne zu einem Jurastudium verdonnert wurde, nur weil der Vater als oberste Autorität das so wollte. Obwohl der Sohn ganz andere Interessen hat, muss er das Studium größtenteils selbst finanzieren – durch Nebenjobs. Eine Zeit lang wird er versuchen, die Erwartungen des Vaters zu erfüllen, doch dabei wird er immer unglücklicher und kränker, bis er schließlich das Studium hinschmeißt und sich aus dem Würgegriff der familiären Konventionen befreit. Doch schwer krank und demoralisiert kommt er so schnell nicht wieder auf die Beine – die Mutter kümmert sich vorerst um ihn.
Nichts anderes ist gerade in Griechenland geschehen. Tsipras – die Mutter – hat eingesehen, dass das arg gebeutelte Volk – also der schwer kranke Sohn – so vor die Hunde gehen würde (welche Mutter würde das zulassen?) und hat ihm umgehend Heilung zukommen lassen, in Form von kostenlosen Lebensmitteln und Energie, dadurch, dass das Taschengeld angehoben wurde (Mindestlohn) und steuerliche Vergünstigungen der Eltern jetzt direkt in die Ausbildungskosten der Kinder einfließen (Vorteile für Minister und Abgeordnete werden gestrichen). Auch soll die Kommunikation in der Familie wieder stattfinden (das staatliche Fernsehen wird wiedereröffnet), was der Vater unterbunden hatte (was von der konservativen Vorgängerregierung aus Kostengründen abgeschaltet worden war) und Gelder des Vaters, die aus illegalen Geldwäschegeschäften stammen, sollen von nun an für die Ausbildungsfinanzierung verwendet werden (sprich: Kampf gegen Korruption und Steuersünder durch Aufdeckung von Auslandsguthaben). Zudem soll das Familienbudget in Zukunft offengelegt werden (öffentliche Aufträge werden auf Korruption hin untersucht).
Den Griechen wäre es nur zu wünschen, dass das Tsipras-Märchen wahr wird – Wolfgang Schäuble wird es eh nicht beruhigen –, denn immerhin ist der Traum eines ganzen Volkes, sich durch gewählte Volksvertreter aus dem Würgegriff der Finanzjongleure befreien zu können, erst einmal wahr geworden.