Sonntag, 9. November 2014

25 Jahre Mauerfall


Dann schließlich am 9. November gegen 17 Uhr die Live-Übertragung der Pressekonferenz mit Günter Schabowski – jener Moment, der wenig später in die Weltgeschichte eingeht, so wie einst der legendäre Schuhschlag Nikita Chruschtschows auf das Rednerpult der UNO-Vollversammlung. Nur mit dem Unterschied, dass das, was Schabowski zu verkünden hatte, nicht mit Emphase vorgetragen wurde, sondern eher emotionslos, ganz beiläufig und abwesend, so wie seinerzeit Inspektor Columbo immer seine Widersacher zu irritieren pflegte – mit seinem Spruch: „Ach übrigens, ich hab da noch was ...“
Ganz in diesem Sinne also zog Schabowski kurz vor Ende der Pressekonferenz einen Zettel aus der Hosentasche ...

1. Zigaretten holen
2. Mauer öffnen

... und verkündet den erstaunten Journalisten, dass Westreisen jetzt für jedermann möglich seien. Auf die Zwischenfrage, wann denn diese Regelung in Kraft trete, sieht er nochmals auf seinem Zettel nach und meint dann, auf seinem Zettel würde kein Termin stehen, offenbar gelte sie ab sofort.
Was nun passierte, war unfassbar: Es passierte nämlich zunächst gar nichts. Es war so, als hätte plötzlich jemand bekannt gegeben, die Sonne würde nicht mehr im Osten aufgehen, sondern ab jetzt im Westen. Das war zu unglaublich um wahr zu sein! Für kurze Zeit herrschte so etwas wie eine kollektive Lähmung, eine Art Schockzustand, der erst verarbeitet werden wollte. Irgendwann gegen 21.30 Uhr kamen die ersten DDR-Bürger auf die Idee: Probieren geht über studieren und stürmten in den Westen. Und tatsächlich: sie werden durchgelassen; niemand hält sie auf. Noch sind es nur Hunderte, aber schon in der Nacht werden viele Grenzanlagen einfach überrannt; am Morgen darauf strömen tausende DDR-Bürger in den Westen. Die Mauer ist gefallen!
Die Bilder der Freude, die um die Welt gingen, sind bekannt: überall jubelnde Menschen. Menschen, die sich in den Armen liegen, schier endlose Autokarawanen vollgestopft mit grölenden DDR-Bürgern auf dem Weg in den Westen. Ganz gleich, was vorher war und was noch kommen würde, an diesem Tag waren die Deutschen ein Herz und eine Seele. Und nicht zuletzt hatte sich ein Traum erfüllt: eine friedliche Revolution!
Doch während die Regierungschefs beider deutscher Staaten, Helmut Kohl und Hans Modrow, feierlich das Brandenburger Tor durchschreiten, werden in Bukarest Massengräber ausgehoben. Die blutige Revolution gegen Ceausescu hat Tausenden Rumänen das Leben gekostet – ein bitterer Wermutstropfen der Geschichte. Aber was das Wunder der friedlichen Revolution in Deutschland anging, so wäre dies nie möglich gewesen ohne Gorbatschow, der gewissermaßen seinen Segen dazu gab. Zwar ist sein berühmter Satz

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

nie so von ihm gesagt worden – sondern nur so ähnlich, ich glaube gegenüber Honecker anlässlich des 40. Jahrestages der DDR –, aber zumindest sinngemäß hatte er – Gorbatschow – den Nagel auf den Kopf getroffen.
(Auszug aus Wilder Osten - Geschichten aus der DDR)

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